Quietschen beim Lagenwechsel muss nicht sein!
Bist Du auch quietschfidel! Quietschfidel sind viele Gitarristen – sie quietschen und knarzen beim Lagenwechsel. Schade um die Musik. Doch es geht auch anders!
Übersicht
Was quietscht, wann und warum?
Es gibt da zwei Fraktionen an Gitarrespielern: die einen bemühen sich um einen sauberen Ton, frei von Nebengeräuschen. Darunter fällt übrigens nicht nur das Quietschen der Saiten beim Lagenwechsel, sondern auch Aufsetz- sowie Ablösegeräusche wenn die Finger abheben oder auf die Saite legen. Aufnahmen sind hier gnadenlos, da hörst du alles. Es quietscht beim Umgreifen von Griffen und Akkorden und beim Verschieben von Griffen und nur eines Fingers auf den Basssaiten. Es knarzt, wenn Du den Finger nicht sauber auf die Basssaite legst oder abhebst oder den Griff korrigierst. An der Zupfhand können klackende Nagelgeräusche auftreten. Wir konzentrieren uns hier jedoch auf die Greifhand.
Quietschen muss nicht sein
Gestandene Orchestermusiker rümpfen über die Gitarre die Nase: nicht bundrein, quietscht … ! Spielgeräusche jeglicher Art müssen jedoch nicht sein. Das beweist beispielsweise Gitarrenvirtuose John Williams – Knarzer in seinen Aufnahmen muss man schon mit dem Hörgerät suchen: sauber, kristallklar, astrein. Wie macht er das bloß? Williams spielt sehr akkurat und genau, greift leicht und sanft, verzichtet aber auch nicht auf Legato mit Führungsfinger, benutzt daher polierte (geschliffene) Saiten. Es gibt die Anekdote, dass er früher seine Saiten sogar selbst poliert habe. In einem Interview beschreibt er den Spagat zwischen sauberem Klang und spieltechnischer Notwendigkeit von Legati. Williams benutzt definitiv geschliffene Saiten. Nachzulesen auf douglas.niedt.com zum eben diesem Thema. Da geht es um das berühmte Präludium Nr. 4 von Villa Lobos. (…) Niedt diskutiert an diesem Beispiel das Pro und Contra von Carlevaros Prinzip des völligen Verzichts auf Führungsfinger beim Lagenwechsel. (…) www.douglasniedt.com/Tech_Tip_Guide_Fingers.html Und hier hat der Niedt die Sache weiter thematisiert: http://www.douglasniedt.com/Tech_Tip_String_Squeaks.html
Als „Meister des sauberen Tons“ gilt auch Roberto Legnani. Wir kennen ihn persönlich, er arbeitet rein über die Spieltechnik. Mit seiner Partnerin, einer Cellistin, spielt er oft im Duo. Man sieht, wie er beim Lagenwechsel die Finger anhebt. Das Cello dagegen ist hier frei, ungebunden und kann „auf den Saiten surfen und dem Griffbrett gleiten.“ Das bietet künstlerische Freiheit und mehr Möglichkeiten beim Ausdruck der Musik, ganz so wie es John Williams sich wünscht.
Abel Carlevaro geht in der ihm eigenen Spieltechnik ebenso auf das Problem ein. Sein Lehrwerk „Schule der Gitarre“ ist spannend zu lesen und können wir sehr empfehlen.
Vom Gitarrenpionier Andres Segovia, ein bekennender Quietscher, ist die Anekdote überliefert, dass er nicht für ein Label einspielen durfte, da er zu sehr quietsche. Julian Bream, lange Jahre Duopartner von John Williams, gehört auch zu den Quietschern.
Und das ist eben die andere Fraktion der Gitarristen, für die das Quietschen sogar ein Stückweit dazu gehört. In mancherlei Software kann sogar Gitarrenquietschen als „Soundeffekt“ hinzugefügt werden. Gut, bei E-Gitarre und auch der rotzigen Flamencogitarre, die auch gerne scheppert und klirrt, gehört das vielleicht dazu. Bei der klassischen Konzertgitarre, die eben auch den Nimbus hoher Konzertanz zu haben hat, möchte ich es doch lieber pur, edle Klänge zu einem edlen Tropfen *schlürrf*.
Quietschvermeidung über die Spieltechnik
Ein möglicher Lösungsansatz ist in der „Schule der Gitarre“ von Abel Carlevaro zu finden: Die Finger beim Lagenwechsel anzuheben empfiehlt. Und um Nebengeräusche zu vermeiden, solle man auf die Technik des „Führungsfingers“ verzichten und durch behutsames Greifen die quietschbringende Hornhaut auf den Fingerkuppen gar nicht erst entstehen lassen. Nun ja, jeder hat so sein eigenes Rezept.
Konzertgitarrist Michael Tröster empfiehlt, die Lagenwechsel in Tonleitern und Läufen wo irgend möglich auf die Nylon-Saiten zu verlagern. Das geht natürlich nicht immer.
- Musik-Noten Ausgabe / Score / Sheetmusic : SCHULE DER GITARRE - DARSTELLUNG - arrangiert für Gitarre
- Komponist: CARLEVARO ABEL
- Schwierigkeitsgrad: MITTEL
- Ausgabe: DT
Im Prinzip bleibt als Grundlage nur, die Finger beim Lagenwechsel anzuheben und sauber zu greifen.Wie beim Cello mit seinen Doppelgriffen könnte man auch „springen“. Beim „Abschleppen“ wird der Finger nicht ganz gehoben, sondern seitlich über die Saite geführt. Das macht nicht ganz so viel Lärm. Ebenso beim abgeknickten Finger wie beim Barré. Bedeutet aber wieder einen Kunstgriff mehr.
Finger führen
Persönlich liebe ich die Technik des „Führungsfingers“ – ich finde das elegant und geschmeidig, leidig dabei sind hörbar die Nebeneffekte. Was also tun?
Quietschvermeidung über die Saiten
Spieltechnik allein geht natürlich nicht immer. Was also tun?Nun, ich habe meinen Weg gefunden, spiele ich doch nur noch geschliffene Bass-Saiten! „Nicht so brilliant wie die herkömmlichen“, klärt man mich beim Saitenhersteller Hannabach über deren Nachteile auf. Da muss nun jeder für sich selbst entscheiden: herkömmliche Saiten mit der Fingerhebe-Technik, oder geschliffene Saiten mit Führungsfinger. Inakzeptabel ist meiner persönlichen Meinung nach jedoch die Kombination aus beidem: herkömmliche Saiten plus Führungsfinger: von den unedlen Nebeneffekten haben wir ja bereits “gehört”.
Für mich selbst habe ich entschieden: lieber mit Schliff, aber ohne Pfiff!
Saitenweise Angebote
Verschiedene Hersteller bieten geschliffene oder polierte Saiten an: Hannabach, La Bella, Savarez. Die glattesten sind die Golden Superior 900 von La Bella. Dafür ist der Klang dumpfer als bei herkömmlichen. Das Polieren der Wicklungen nimmt dem Sound wortwörtlich die Spitze. Von der Qualität her sind die Hannabach 850 PSP echt klasse. Sie sind jedoch nicht durchgeschliffen, und von daher nicht ganz quietschfrei. Im Jazzgitarren-Bereich finden sich schon länger sog. „flat wounds“ – dort ist ein dumpfer Ton aber auch nicht unerwünscht.
Karl Sandvoss war Vorreiter für quietschfreie Glattsaiten: „Grundlegende Beiträge zur Entwicklung klanglich hochwertiger Glattsaitenbezüge bzw. spielglatter umsponnener Baßsaiten für klassische Gitarre“. „Die glattesten, die ich je gesehen hab!“ meinte Gitarrenbauer Gerhard Schnabl zu den Saiten von Tüftler Karl Sandvoss. Dieser ist Gründer des Institute of Stringed Instruments Guitar & Lute (ISIGL) und hat sich sehr mit der Thematik beschäftigt. Schon vor 20 Jahren entwickelte er die oben erwähnten glatten Saiten. Sie sind nicht nur glatt, sondern auch brillant. Kein geringerer als Julian Bream hat die Saiten getestet und für sie Pate gestanden. Dennoch konnte Sandvoss die Saiten bisher nicht vermarkten. Auf der einen Seite mauerten die Hersteller, die lieber ihre eigenen Produkte vermarkten wollen, auf der anderen Seite ist der Produktionsprozess auch etwas anders. Schade, dass er seine Erfindung nicht auf den Markt bringen konnte! Er hätte damit „ganz andere Saiten aufgezogen“!
“Ich spiele immer mit geschliffenen Saiten, die mir auch vom Klang her sehr viel besser gefallen”.
Johannes Tonio Kreusch (Quelle: www.GitarreKonkret.de)
Geschliffene Saiten im Überblick
Wir haben über 10 Jahre hinweg verschiedene polierte Saiten getestet. Anfangs sah es ziemlich mau aus, doch auf einmal rückten die Saitenhersteller das Thema in den Focus – prima 😀
Es folgt eine Liste mit verschiedenen polierten Saiten und ihrer Bewertung. Eines vorneweg: unsere persönlichen Top-Favoriten sind: Savarez Cantiga polished und La Bella Argento silver hand polished.
Hannabach 850 PSP
Sehr gute Qualität. Präzisionsgeschliffen, aber leider nur leicht (an)geschliffen, was zwar gut für die Brillanz und Obertöne ist, das Quietschen wird dabei jedoch nicht ganz eliminiert :-))
Hannabach 807 Bronze
wie 850 PSP, aber nicht präzisionsgeschliffen und in Bronze = wärmerer Klang, dafür nicht ganz so brilliant 🙂
Weitere polierte, quietscharme Saiten
Rausgefischt aus der Marktmasse:
- D’Addario Lightly Polished Composite – noch nicht getestet
- La Bella 413 P Studio – recht teuer, nicht ganz so glatt wie die Golden Superior 900 😐
- La Bella Golden Superior 900 –Super glatt, so gut wie keine Nebengeräusche, dazu recht preisgünstig, lange Zeit meine Lieblingssaite. Hatte leider etw. klangliche Qualitätsprobleme bei der A-Saite. Der Klang ist insgesamt dumpfer als bei herkömmlichen Saiten. Haltbarkeit: halten ewig, spielen sich kaum durch! 🙂
- Savarez RH Alliance Line – d-Saite war nach zwei Wochen durchgespielt! 🙁
- GHS – La Classique® Smoothwound – noch nicht getestet
- GHS – Vanguard Classics – Pure Nickel Smoothwound noch nicht getestet
- Pirastro – Angeschliffene Saiten, also nicht ganz glatt, quietschen daher dennoch beim Spielen, gleichzeitig Klangeinbußen – da kann man auch gleich bei herkömmlichen Saiten bleiben. :-((
- D’Addario EJ45LP Pro-Arte Polished – leicht geschliffen (Lightly Polished Silverplated), normal tension
- D’Addario EJ46LP Pro-Arte Lightly Polished – wie EJ45LP, aber high tension – die Saiten, die John Williams benutzt
… nach jahrelangem Ausprobieren, suchen und testen, unser Tipp:
Wir empfehlen
… für einen außerordentlichen Klanggenuss ohne störende Quietsch- und Knarzgeräusche, und doch mit Klangfarbe und Brillianz:
Gleitmittel
Neben der Spieltechnik und den Saiten gibt es den Ansatzpunkt der Fingerkuppen. Fingerkuppen tagsüber immer wieder massieren, mit Glycerin/Vaseline einsalben, Saiten ölen, schuppige Hornhaut wegraspeln. Der eine hat eine feine, samtige Haut, der andere eine rauhe, rissige. Eine rissige Haut raspelt. Eine samtige Haut dagegen gleitet wie Katzenpfötchen über die Saiten. Hände waschen vor dem Gitarrenspielen – macht FIngerkuppen feucht und geschmeidig. „Raspelt“ dann nicht mehr so sehr.
„Auf den Saiten surfen und über das Griffbrett gleiten – Gitarrenfeeling :-D“
Uli Mehner, Gitarrenflüsterer aus Leidenschaft
Als „Gleitmittel“ damit es wie geölt läuft, gelten:
- Vaseline
- Talkum
- Ballistol-Pflegeöl
Die Gleitmittel haben jedoch den Nachteil, dass sie sich abspielen, während dem Spiel nachgefüllt werden müssen. So mancher Konzertgitarrist schmierte sich ein kleines Depot versteckt an den Halsfuß, um zw. zwei Stücken verstohlen ranzutippsen.
Ferner jedoch gehen mit derlei Mittel die Saiten schnell kaputt.
Saitenpflege UND Schmiermittel
Recht interessant ist dagegen der Fast Fret von GHS: pflegt die Saiten und dient als Gleitmittel. Von allen Mitteln noch das Beste.
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Zusammenfassung
Im Prinzip bleiben also als Möglichkeiten:
a) Saiten
b) Spieltechnik und Fingersatz
c) Fingerkuppen
[…] „quietschfidel“ […]